Generation Lockdown aus chiropraktischer Sicht
Ob wir weitere Einschränkungen aufgrund von Corona-Varianten befürchten müssen, ist derzeit noch offen. Bereits jetzt steht fest, dass wir alle unter den Lockdown-Phasen gelitten haben. Kinder und Jugendliche sind der Verunsicherung und dem Strukturverlust dabei auf ganz besondere Art ausgeliefert. Medial war die Perspektive auf Kinder und Jugendliche in der Phase der harten Corona-Lockdowns vorrangig durch zwei Themen geprägt: einerseits als vermeintlich schlecht ausgebildete Generation, reduziert auf ihre Rolle als Schüler*innen, Auszubildende oder Studierende. Andererseits als unterschätztes Risiko für die Verbreitung der Covid-Viren, also reduziert auf die Figur der Krankheitsübertragung. Doch wie ihre Perspektive dabei ist, welche spezifischen Nöte sie tatsächlich erleben, blieb dabei meist unberücksichtigt. Wie die Pandemie auch ohne Infektion auf das Leben von den Kleinsten bis hin zu Heranwachsenden wirkt und was unterstützend getan werden kann, um ihnen zur Seite zu stehen, das wollen wir mit Einbezug des chiropraktischen Blickwinkels beleuchten.
Laut Hochrechnung der UN DESA machten im Jahr 2020 Kinder und Jugendliche bis 17 Jahre etwa 30 Prozent der Weltbevölkerung aus.
Quelle: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1020714/umfrage/anteil-der-kinder-und-jugendlichen-an-der-weltbevoelkerung-nach-altersgruppen/
Die mentale und körperliche Gesundheit von Kindern hängt bekanntermaßen auch von der Art und Weise ab, wie sie aufwachsen. Unabhängig von der Pandemie berücksichtigen daher spezialisierte Chiropraktiker*innen seit vielen Jahrzehnten entlang des Entwicklungsstands eines Kindes, ob Unterstützung angeraten ist. Dabei beobachten sie, ob beispielsweise die altersgerechte Motorik oder das Sozial- und Interaktionsverhalten Auffälligkeiten zeigen. In der Analyse ist dabei auch schon die Schwangerschaft relevant, da hier unter anderem die neurologischen Grundlagen zur Stressbewältigung gelegt werden.
Quelle: https://dagc.de/ungestoerte-entwicklung-im-fokus/
Von Säuglingen bis hin zu jungen Erwachsenen
In einer Studienübersicht aus 2021 mit Mitwirkung u.a. der King George’s Medical University in Indien haben Psychologen und Neurologen erneut darauf hingewiesen, dass Stress der Schwangeren negative Auswirkungen auf ein noch ungeborenes Kind zeige. Während akuter Belastungsphasen sei der Austausch durch die biologische Mutter-Kind-Verbindung für das Wohlbefinden des Fötus prägend. Hormonausschüttungen, Herzfrequenzen – all das wirke unmittelbar, geradezu ungefiltert, auf das ungeborene Kind. Womit sich Befürchtungen der Mutter – auch aufgrund einer Corona-Pandemie – auf das Kindeswohl auswirken können. Diese frühe Form der Prägung wird nach neuen Forschungsergebnissen auch mit langfristigen Auswirkungen wie Lernfähigkeit, Allergien oder auch Belastungsfähigkeit der dann Heranwachsenden assoziiert.
Bei kleinen Kindern und Jugendlichen, so betonen die Autor*innen, hätten die Pandemie und der Lockdown sogar einen größeren Einfluss auf die emotionale und soziale Entwicklung als bei Erwachsenen. In einer der Vorstudien während der laufenden Pandemie wurde in diesem Zusammenhang festgestellt, dass jüngere Kinder (3-6 Jahre) eher Symptome von Anhänglichkeit und Angst vor einer Ansteckung von Familienmitgliedern zeigten als ältere Kinder (6-18 Jahre).
Bei allen Kindern, unabhängig von ihrer Altersgruppe, hätten sich schwere psychische Belastungsreaktionen wie erhöhte Reizbarkeit, Unaufmerksamkeit und anhängliches Verhalten gezeigt. Basierend auf den von den Eltern ausgefüllten Fragebögen zeigen die Ergebnisse, dass sich die Kinder unsicher, ängstlich und isoliert fühlten. Demnach litten die Kinder auffällig unter Schlafstörungen, Alpträumen, Appetitlosigkeit, Unruhe, Unaufmerksamkeit und trennungsbedingten Ängsten.
Quelle: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7444649/
Jugendliche Heranwachsende stellt die Corona-Pandemie vor eigene Herausforderungen. Sie orientieren sich sowohl durch Kopieren als auch durch Abgrenzung an den Rollen-Vorbildern Erwachsener. Wenn diese hilflos und überfordert sind, zeigt das Wirkung. Ein ganz praktisches Beispiel: Körperhygiene. Unabhängig von der besonderen Situation zeigten sich Jugendliche hier überkompensierend oder verweigernd. Unter Corona-Gesichtspunkten ändert sich daran erstmal nichts, daher könnten in dieser Zeit mehr Kinder und Jugendliche als sonst davon bedroht sein, Waschzwänge zu entwickeln.
Quelle: https://psychologische-coronahilfe.de/beitrag/aber-alle-sagen-doch-ich-soll-mir-die-haende-waschen-ab-wann-ist-das-ein-zwang
Laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung in Kooperation mit den Universitäten Hildesheim und Frankfurt/Main aus dem März 2021 gaben 61 Prozent an, sich teilweise oder dauerhaft einsam zu fühlen. 69 Prozent wären von Zukunftsängsten geplagt, und sei es nur teilweise. Also zwei Drittel unsere Jugend ist enorm von den Auswirkungen betroffen – sozial, psychisch und mental. Angesichts dieser großen Belastungen sind Aufmerksamkeit und Unterstützung für die jungen Menschen also besonders wichtig.
Sorgen können krank machen
Doch genau diese vermissen sie, so die Studie. 65 Prozent der befragten Jugendlichen gaben während des zweiten Lockdowns im November 2020 an, dass ihre Sorgen eher nicht oder gar nicht gehört würden. Das sei ein deutlicher Anstieg im Vergleich zur Befragung vom April und Mai 2020, bei der 45 Prozent diesen Eindruck äußerten.
Quelle: https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/themen/aktuelle-meldungen/2021/maerz/jugendliche-fuehlen-sich-durch-corona-stark-belastet-und-zu-wenig-gehoert
Erfahrungen wie diese bleiben dabei nicht unbedingt konsequenzfrei für die körperliche Gesundheit. Wechselwirkungen von Emotionen und Immunsystem sind seit Jahrzehnten erforscht, Zusammenhänge bei Atemwegs- oder Herzkreislauferkrankungen gelten ebenso als hochwahrscheinlich, wie bei Diabetes oder Krebserkrankungen.
In der chiropraktischen Wissenschaft gehen seit vielen Jahren Studien der Frage nach, wie eine ausgewogene Balance der Gehirnaktivitäten mithilfe von Justierungen unterstützt werden kann. Daran arbeitet unter anderem die Neurowissenschaftlerin und Chiropraktorin Heidi Haavik. Das Ziel dabei: Die neurologische Reaktionsmöglichkeit, also Neuroplastizität, mithilfe von Justierungen zu verbessern.
Quelle: https://www.hindawi.com/journals/np/2016/3704964/
Zum Beispiel, um negativ Erlebtes besser verarbeiten und bewerten zu können. Damit auch die Isolation und angstbehaftete Lockdown-Phase nicht als – wie einer der Gründungsvater der Chiropraktik D.D. Palmer es genannt hätte – „destruktive Gedanken“ im Körpersystem Schaden anzurichten vermögen.
Chiropraktische Begleitung kann somit einen essenziellen Beitrag leisten, um den mentalen Druck und Stress im System zu reduzieren. Bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Daher bieten viele Chiropraktiker*innen auch Familienbehandlungen an, da so alle gemeinsam profitieren können, als soziale Einheit und als Individuen.