
Neurologisch basierte Chiropraktik und emotionale Verbundenheit
„Auf einer Wellenlänge sein“ ist auch laut aktuellen Studien mehr als eine Redewendung. Genau genommen trifft es neurologisch den Kern bei gelungener Interaktion, beginnend bei frühesten Eltern-Kind-Beziehungen. Neurologisch basierte Chiropraktik zielt damit auch auf das Potenzial für mehr Wohlbefinden in der ganzen Familie.
Von 2017 bis 2020 untersuchte das Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften die spielerische Interaktion zwischen Eltern und Kindern. Speziell die Vorgänge in den Gehirnen standen dabei im Fokus und wurden mittels dualer funktioneller Nah-Infrarot-Spektroskopie (fNIRS) analysiert. Durch dieses bildgebende Verfahren kann die Gehirnaktivität der miteinander interagierenden Individuen verglichen und auf übereinstimmende Muster hin überprüft werden.
Für den Erwerb sozialer und emotionaler Kompetenzen spielen bei Kindern Interaktionen mit ihren Eltern eine zentrale Rolle. Neurowissenschaftler*innen betonen seit Langem, dass frühkindliche Erfahrungen an der Konstruktion des Neuronennetzwerkes im Gehirn maßgeblich beteiligt sind und so die künftige Persönlichkeit formen. Daraus erwachsen stabile, unbewusste Erwartungen an die Umwelt. Haben Säuglinge engen Körperkontakt mit ihren Eltern, die sich ihnen dabei konstant empathisch zuwenden, entwickeln sich positive Beziehungserwartungen, die vom Kind verinnerlicht werden.1
Eine derartige Qualität der Beziehung scheint auch ausschlaggebend für die Fähigkeit zur sogenannten neuronalen Synchronie zu sein, also der wechselseitigen Anpassung der Gehirnaktivität. Die neuronale Synchronie wird als notwendig erachtet, damit die Interaktionspartner*innen einander verstehen und sich während der Interaktion emotional miteinander verbunden fühlen. Was nicht nur in Familien wünschenswert ist, sondern in allen Alltagssituationen, bei denen Zusammenarbeit und Lernbereitschaft eine Rolle spielen.
Um der Intensität einer solchen Gleichgerichtetheit neuronaler Vorgänge nachzugehen, wurden Eltern mit ihren Kindern zum Puzzle-Lösen aufgefordert. Die Ergebnisse zeigten besonders dann hohe Annäherungen in der Gehirnaktivität, wenn die Qualität der Eltern-Kind-Beziehung gut war und neben der Arbeit am Puzzle zusätzlich ein intensiver Austausch stattfand.2
In einer weiteren Studie der Katholischen Universität Mailand wurde die Auswirkung von positiver und negativer Stimulanz auf die Fähigkeit dieser funktionellen Konnektivität, d.h. die Verbindung der Nervenzellen, und kognitiven Leistung untersucht. Deutlich zeigte sich dabei, dass negatives Feedback die Konnektivität deutlich verschlechterte, während offener oder positiver Austausch sie verstärkten.3
Diese wohltuende Erfahrung des Verbundenseins ist mit einer der Gründe, warum in der chiropraktischen Sichtweise Justierungen auch im gesamten familiären Kontext sinnvoll sind. Die neurologische Wirkung soll so übergreifend für das gesamte Familiensystem positive Effekte auslösen. Und das gilt in dieser Betrachtungsweis auch für frühkindliche Justierungen. Viele Chiropraktiker*innen behandeln daher grundsätzlich Säugling und Eltern. Denn wie die Entwicklungspsychologie und Neurobiologie gezeigt haben, vergisst das Unbewusste auch in der vorsprachlichen Phase nie. Vor dem dritten Lebensjahr werden Erfahrungen nicht im Hippocampus archiviert, da der noch nicht vollständig ausgebildet ist. Aber sie werden vom impliziten (unbewussten) Gedächtnis gespeichert. Das Unbewusste entscheidet somit über den Grad an Wohlbefinden beim Kleinkind, aber auch beim Erwachsenen durch lebenslange Festschreibung früher Gedächtnisinhalte in der Großhirnrinde. Und welche bessere Prägung könnte da abgelegt sein, als die Erfahrung gemeinsamer Fürsorge und dabei auf einer Wellenlänge zu sein?