Vom Leistungssport zum alltäglichen Leistungsdruck: neurologische Trainingsansätze chiropraktisch beleuchtet
Was haben Kampfpiloten, Chirurgen und alpine Abfahrt-Olympioniken gemeinsam?
Sie stehen unter enormem, situativem Leistungsdruck. Einige sind in der Lage, dem standzuhalten und Höchstleistungen abzurufen, andere nicht. Die Frage nach dem Wieso beschäftigte bis vor wenigen Jahren vor allem die Psychologen, ganz besonders die Sportpsychologen.
Wissenschaftliche Untersuchungen zur Wechselwirkung zwischen Psyche, Gehirn und Leistungsfähigkeit liefen so ab den 1970er Jahren unter dem Begriff des mentalen Trainings. Dabei stehen sehr häufig das bewusste Vorstellen und detaillierte gedankliche Durchgehen von Bewegungsabläufen im Zentrum, ohne diese tatsächlich in dem Moment auszuführen.[1]
Die Einsatzfelder reichen von Steigerung und Optimierung der Leistung bis hin zu verbesserter Rehabilitation nach Verletzungen. So wurde auch in einer Studie der Universität Heidelberg von 2008 der Therapieverlauf von Patienten nach einem Kniegelenkersatz überprüft. Das Ergebnis weist bessere Werte bzgl. der Gelenkbeweglichkeit aus, sofern mentales Training in der Rehabilitation zum Einsatz kam.[2]
Eine bewusste Einflussnahme auf die Kommunikation zwischen dem Nerven- und Bewegungssystem ist danach produktiv nutzbar. Und was ist dann mit unbewussten Prozessen?
Ob Z-Health von Dr. Eric Cobb oder dem sich seit 2014 etablierenden Neuroathletiktraining, welches Lars Lienhard als Trainer der deutschen Fußball-Nationalmannschaft bei der WM 2014 in Brasilien einsetzte: Sie alle setzen vorrangig auf die sogenannte Neuroplastizität, also andauernde Lern- und Anpassungsfähigkeit unseres Gehirns. Dabei wird der Fokus auf die Abfolge gerichtet, welcher Input im Gehirn welche Interpretation mit welchem Ergebnis produziert. Es ist im Grunde eine Frage nach der idealen Vorgehensweise, um das zentrale Nervensystem zu einer Verarbeitung zu bewegen, die gezielt motorische Leistungsergebnisse optimiert.[3]
Leistungsfähigkeit und Rehabilitation hängen demnach wesentlich davon ab, wie das ganze Spektrum bewusster und unbewusster Informationsprozesse im Körper- und Nervensystem ineinandergreifen. Hier verdeutlicht sich eine zentrale Gemeinsamkeit zur Chiropraktik, deren Kerngedanke seit Anbeginn darauf beruht, die Verarbeitungsfähigkeit des Nervensystems durch Justierungen von Störungen zu befreien.
Ob Belastungen im Alltag, Freizeit- oder auch Leistungssport: Jeder Körper wird gelegentlich bis an seine Leistungsgrenzen gebracht. Wo diese Grenze liegt, definiert das individuelle Verhalten. Es liegt zu großen Teilen in der eigenen Verantwortung, den Grad des Wohlbefindens und der Leistungsfähigkeit zu bestimmen. Um gesund und aktiv sein zu können, benötigt der Organismus vor allem ein auf höchstem Niveau arbeitendes Nervensystem. Nur wenn das Nervensystem als übergeordnete ‚Instanz‘ und alle anderen Systeme des Körpers optimal ineinandergreifen, sind auch echte Spitzenleistungen möglich.
Das Gehirn nimmt in jeder Sekunde Millionen von Informationen auf: aus der Umwelt über die Sinnesorgane und im Körper über Rezeptoren beispielsweise in der Haut, den Muskeln und Sehnen. Diese Informationen werden über das Nervensystem weitergeleitet. Und das Gehirn setzt daraus ein Bild zusammen, das der individuell wahrgenommenen Realität entspricht, zum Beispiel der aktuellen Haltung des Körpers. Danach trifft es Entscheidungen, ob irgendwelche Veränderungen notwendig sind und gibt möglicherweise Befehle an die Motorik: „Beweg dich!“ Dieser Vorgang wird sensomotorische Integration genannt.
Was passiert nun bei einer Subluxation, d.h. einer Fehlstellung und Fixierung eines Wirbels? Die Informationen über diesen Zustand werden natürlich ebenfalls an das Gehirn gesendet und bei der Konstruktion der eigenen Realität berücksichtigt. Da wir in der Chiropraktik davon ausgehen, dass Subluxationen das gesunde Weiterleiten von Informationen stören, wirken Subluxationen folgerichtig langfristig als Störgröße und verändern die Art und Weise, wie die Gesamtheit der sensorischen Informationen verarbeitet wird. Der Effekt einer Subluxation kann sich also nicht nur in einem biomechanischen Defizit durch die verminderte Beweglichkeit der Wirbelsäule äußern, sondern vor allem die oberste Steuerinstanz betreffen, das Gehirn. Dieses passt sich mit der Zeit an diesen Zustand an und gewöhnt sich daran. Wenn jedoch so die Eigenwahrnehmung gestört wird und falsche „Bilder“ im Zentralnervensystem abgespeichert werden, können weder die Körperhaltung korrekt kontrolliert noch Bewegungen in höchster Präzision und/oder Geschwindigkeit ausgeführt werden.
Die gestörte Eigenwahrnehmung wiederum beeinflusst sowohl automatisierte Bewegungsmuster als auch spontane Aktionen – und im Sport kann dies naturgemäß deutlich leistungsmindernde Effekte haben: Der Wurf beim Handball wird unpräzise, der Ball wird beim Tennis nicht optimal getroffen, eine verringerte Rumpfstabilisierung beim Laufen führt zu Leistungsverlusten usw.
Daher bin ich davon überzeugt: Durch Chiropraktik im Rahmen einer ganzheitlichen (Sport-)Medizin lassen sich Subluxationen gezielt lösen, um so den freien Fluss im Nervensystem wiederherzustellen. Ob für die Steigerung der sportlichen Performance oder einen unbeschwerten Alltag.[4]
Quellen:
- Eberspächer 1994, 46). Hermann, H. – D. / Eberspächer, H. (1994): Psychologisches Aufbautraining nach Sportverletzungen, München: BLV Verlagsgesellschaft mbH)
- https://www.researchgate.net/publication/40878610_Mentales_Training_in_der_orthopadischen_Rehabilitation_nach_Knieendoprothetik)
- https://www.functional-training-magazin.de/neuro-athletik-die-entstehungs-geschichte/
- DAGC, impulse 2016