Darmgesundheit auch aus chiropraktischer Perspektive
Unsere Darm-Hirn-Achse ist seit Langem Bestandteil der Forschung. Gängige Erkenntnisse sind dabei: Bakterien sind mit daran beteiligt, Neurotransmitter – also Substanzen, die auf unsere Stimmung einwirken – zu produzieren. Dazu gehört auch Serotonin. 95 Prozent des Glückshormons werden im Darm gebildet.1 Wie wichtig ist dann, was wir als Grundlage dafür zu uns nehmen? Neuere Forschungen zeigen, wie bedenklich der Griff zu industriell stark verarbeiteten Lebensmitteln auch diesbezüglich ist. Diese Erkenntnis bestärkt die chiropraktische Position, dass Darmgesundheit und ein verantwortungsvoller Umgang mit der eigenen Ernährung eine der fünf Säulen der Gesundheit ist.
Stark verarbeitete Lebensmittel (wie verpackte Snacks, zuckerhaltige Getränke, Instantnudeln und Fertiggerichte) enthalten häufig Emulgatoren, Mikropartikel wie Titandioxid, Verdickungsmittel, Stabilisatoren, Aromen und Farbstoffe. Wissenschaftliche Untersuchungen finden zunehmend Hinweise darauf, dass sie die Funktion des Immunsystems beeinträchtigen. Natürlich ist es bequem, sich eben eine TK-Pizza im Ofen warm zu machen, aber diese Bequemlichkeit geht oft auf Kosten einer gesunden Ernährung.
Was mal als Ausnahme begann, ist in Deutschland inzwischen eher die Regel. 80 bis 90 Prozent der in Deutschland konsumierten Lebensmittel sind nach Angabe der Deutschen Ernährungsindustrie verarbeitet.2
Hoch- oder ultra-verarbeitete Lebensmittel haben laut Definition mehrere Verarbeitungsschritte durchlaufen und enthalten viele Zutaten oder Zusatzstoffe. Zu den betroffenen Lebensmitteln gehören Wurstwaren, Fleischprodukte, Backwaren, Trockensuppen, Softdrinks, Eiscreme, Süßigkeiten und Fertiggerichte wie z.B. Tiefkühlpizza.
Eine Ernährung, die stark auf ultra-verarbeiteten Lebensmitteln basiert, wird jedoch zunehmend mit zahlreichen Gesundheitsproblemen in Verbindung gebracht – darunter Fettleibigkeit, das metabolische Syndrom und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Das schlechte Nährwertprofil ultra-verarbeiteter Lebensmittel, denen oft essentielle Nährstoffe und Ballaststoffe fehlen, spielt bei diesen Gesundheitsrisiken eine bedeutende Rolle. Es gibt auch immer mehr Hinweise darauf, dass stark verarbeitete Lebensmittel die Funktionsweise unseres Immunsystems beeinträchtigen können.
Dies könnte erklären, warum einige Studien einen Zusammenhang zwischen stark verarbeiteten Lebensmitteln und entzündlichen Darmerkrankungen sowie möglicherweise Autoimmunerkrankungen hergestellt haben. Dabei zeigten sie, dass die Exposition gegenüber geringen Konzentrationen von Emulgatoren die Schleimbarriere des Darms schwächen kann. Dies kann es Mikroben (einschließlich schädlicher) erleichtern, in den Darm einzudringen und ihn wieder zu verlassen. Veränderungen in der Integrität der Schleimbarriere korrelierten auch mit höheren Werten von Entzündungsmarkern. Dies sind alles Anzeichen dafür, dass das Immunsystem des Körpers aktiviert ist.3
Auch der Mangel an Ballaststoffen, der typisch für eine Ernährung mit stark verarbeiteten Lebensmitteln ist, kann die Integrität der Darmbarriere beeinträchtigen. Die Mikroben im Darm müssen Ballaststoffe verdauen, um kurzkettige Fettsäuren zu produzieren. Diese Moleküle helfen, die Integrität der Darmbarriere aufrechtzuerhalten und die Immunreaktion zu regulieren, indem sie Entzündungen dämpfen und die Produktion von T-Zellen unterstützen – einer Art von Immunzellen, die Krankheitserreger angreifen. Ohne diese Moleküle kann die Integrität der Darmbarriere geschwächt werden und Entzündungen können zunehmen.4
Stark verarbeitete Lebensmittel stehen auch im Zusammenhang mit Veränderungen in der Zusammensetzung des Darmmikrobioms. Es wurde nachgewiesen, dass eine Ernährung mit einem hohen Anteil an gesättigten Fetten, Zucker, Salz und Zusatzstoffen (wie Emulgatoren) die Anzahl der nützlichen Bakterien verringert, die zur Aufrechterhaltung der Darmbarriere beitragen. Außerdem kam es zu einem Anstieg der schädlichen Bakterien, die Entzündungen auslösen. Im Laufe der Zeit können ultra-verarbeitete Lebensmittel so auch zu Fettleibigkeit und chronischen Entzündungen beitragen. Beide Faktoren stehen in engem Zusammenhang mit Veränderungen im Darmmikrobiom, einschließlich einer verminderten mikrobiellen Vielfalt und einer erhöhten Darmdurchlässigkeit, die sich wiederum auf die Immunfunktion auswirken können. Andere Forschungsarbeiten haben gezeigt, dass der Verzehr großer Mengen Salz – wie es in stark verarbeiteten Lebensmitteln üblich ist – die Anzahl der vom Körper produzierten T-Zellen erhöhen kann, was wiederum zu Entzündungen führen kann. Eine salzreiche Ernährung wurde auch mit einem niedrigeren Anteil an nützlichen Lactobacillus-Bakterien im Darm in Verbindung gebracht. Diese Bakterien tragen zur Erhaltung einer guten Darmgesundheit bei, indem sie schädliche Bakterien hemmen und die Darmbarriere unterstützen.5
Tischlein deck dich …
So märchenhaft die Leistungsversprechen von Fertigprodukten sein mögen, es gibt genau drei elementare Hinweise auf zuverlässig gesunde Nahrungsmittel:
- regional
- saisonal
- biologisch
Wenn die Zubereitung dann noch traditionell und frisch erfolgt, steht dem gesunden Genuss nichts mehr im Weg. Hausgemachte, fermentierte Lebensmittel können unsere Darmwand und das Immunsystem sogar stärken. Natürlich gilt es, dabei das eigene System im Auge zu behalten und auch Unverträglichkeiten abzuklären – ein für viele chiropraktisch Tätige selbstverständlicher Bestandteil ihrer Beratungsleistung.
Und wenn wir beim Thema Tisch sind: Auch Justierungen sind im Wechselspiel von Darm-Hirn-Achse ein relevantes Instrument. So kann sich beispielsweise der Nervus vagus, der im oberen Halswirbelbereich verläuft, bei Blockaden negativ auf den Magen-Darm-Trakt auswirken. Auf diese Weise entsteht im Wechselspiel von bewusster Lebensführung und chiropraktischer Unterstützung eine nachhaltig gute Basis für mehr Wohlbefinden in jedem Alter.
Quellen (zuletzt abgerufen 05.08.2024):
1 https://www.swr.de/wissen/darm-beeinflusst-essen-unsere-psyche-100.html
2 https://www.bve-online.de/themen/verbraucher/konsumententrends/ernaehrungsreport-2021
3 https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0261561422003144
4 https://www.nature.com/articles/s41577-024-01049
5 https://theconversation.com/ultra-processed-foods-heres-how-they-may-affect-the-way-the-immune-system-functions