„Der Weg zurück“ – eine chiropraktische Betrachtung
Ein Sommer (relativer) Freiheiten rückt näher. Statt Isolation fallen viele Regulierungen und es zeichnen sich mehr und mehr Gelegenheiten ab, unsere Freunde und Familien wiederzusehen. Doch wie wirkt sich das Abgeschottet-Sein längerfristig auf unser Erleben, unser Verhalten, unsere Gesundheit aus? Müssen unsere sozialen Fähigkeiten aufgefrischt und unser Verstand wieder geschärft werden? Was sagen Psychologen, was sagt die Chiropraktik dazu?
Es gibt kein Vertun: Die mentalen Auswirkungen der Lockdown-Monate sind tiefgreifend. Es hat sich gezeigt, dass soziale Isolation die psychische Gesundheit von Menschen verschlechtert, selbst wenn sie in der Vergangenheit keine psychischen Probleme hatten. Neben diesem Stimmungsabfall wurde Einsamkeit mit einer Reihe von kognitiven Problemen in Verbindung gebracht, darunter Müdigkeit, Stress und Konzentrationsprobleme.
Eine positive Wendung schon mal vorweg: Die sogenannte Neuroplastizität, also die Anpassungsfähigkeit des Gehirns auf veränderte Umstände, entfaltet ihre positive Wirkung auch, wenn wir wieder anfangen, Kontakte zu pflegen. (1)
Massenisolation
Was für uns alle zunächst ein Graus ist, bietet der Forschung eine einzigartige Möglichkeit: Soziale Isolation und ihre Wirkung auf die allgemeine Bevölkerung zu untersuchen. Normalerweise werden solche Effekte nur bei vereinzelten Gruppen, älteren Erwachsenen oder bei sehr speziellen Personengruppen wie Astronauten, Wüsten-Trekkern und Polarforschern erforscht. Aber seit über einem Jahr erleben so gut wie alle Menschen jeden Alters längere Zeiträume mit nur minimalen sozialen Kontakten.
Wir wissen, dass Menschen viele Vorteile aus sozialen Kontakten ziehen. Diese reichen von der Vorbeugung gegen Demenz und der Verbesserung des Gedächtnisses bis hin zur Erhöhung der Konzentrationsleistung und der Fähigkeit, klar zu denken. Als unser soziales Leben im März 2020 zu schrumpfen begann, verloren wir anteilig auch diese kognitiven Vorteile.
Bereits zwischen Mai und Juli 2020 wurden in einer Studie Hunderte von schottischen Erwachsenen befragt – einem Zeitraum, in dem die strengen nationalen Sperrstundenbeschränkungen schrittweise gelockert wurden. Zügig zeigten sich die Vorteile der Geselligkeit, bezogen auf das Denken und Fühlen der Menschen.
Dabei war die Stimmung zu Beginn der Befragung überwiegend niedergeschlagen. Menschen, die abgeschirmt oder allein lebten, litten am meisten und begannen sich erst besser zu fühlen, als die letzten Einschränkungen gegen Ende des Erhebungszeitraums im Juli gelockert wurden. (2)
Kognitive und psychologische Erholung
In dieser Studie der Universität Glasgow standen die Veränderungen der Aufmerksamkeit, der Lernfähigkeit und des Arbeitsgedächtnisses im Zentrum.
Sie sind Indikatoren dafür, wie gut wir uns an gelernte Dinge erinnern, wie lange wir uns auf eine Aufgabe konzentrieren können und wie viele Aufgaben wir gleichzeitig in unserem Kopf jonglieren können.
Alle diese Indikatoren verbesserten sich rapide, als die Beschränkungen gelockert wurden, mit deutlichen Verbesserungen im Wochenvergleich. Und zwar jedes Mal. Was uns also emotional unterstützt, fördert eindeutig auch unsere Leistungsfähigkeit. Wohlbefinden ist kein netter Luxus, sondern tatsächlich eine wichtige Stellschraube, um eigene Ziele und objektive Ansprüche erreichen zu können.
In der Chiropraktik ist daher das psychische Wohlbefinden auf verschiedenen Ebenen eine relevante Größe. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts formulierte der Begründer der Chiropraktik, D.D. Palmer, ein Konzept der krankmachenden drei „T“: „Trauma, Thoughts, Toxins“. Auf diese Weise ist der Einbezug mentaler und kognitiver Prozesse in der Geburtsstunde der Chiropraktik mit verwurzelt. Die nervale Belastung durch das Beseitigen von Subluxationen zu reduzieren, kann dabei regenerative Prozesse unterstützen oder gegebenenfalls sogar initiieren.
Denn wenn wir auf uns selbst blicken, leiden wir alle – in unterschiedlichem Ausmaß – an erzwungener Einsamkeit und Isolation. Überwiegend zeigt sich, dass nahezu alle reizbarer, ablenkbarer, träger und müder sind.
Dank umfangreicher Daten ist nun eindeutig belegt, dass soziale Interaktion mit entscheidend ist für jeden Aspekt unseres Wohlbefindens und unserer geistigen Leistungsfähigkeit. Isolation kann unsere geistige Gesundheit und Leistungsfähigkeit in so vielen Bereichen beeinträchtigen.
Aber wir können auch in fordernden Zeiten mehr tun, als nur „auf das Beste zu hoffen“. Neurologischen Stress reduzieren, für Ausgleich sorgen und vor allem hoffnungsfroh planen. Zum Beispiel den nächsten Besuch beim Chiropraktiker oder bei der Chiropraktikerin des Vertrauens. Denn der amerikanische Psychologe Charles Snyder, ein prominenter Hoffnungsforscher, schrieb in seinem Buch „Psychology of Hope: You Can Get Here from There“, dass Hoffnung entsteht, wenn Menschen eine Verbindung zwischen ihrer aktuellen Situation und einem gewünschten zukünftigen Zustand herstellen.
Snyders Idee ist, dass, sobald der gewünschte zukünftige Zustand identifiziert wurde, zwei Dinge benötigt werden, um Fortschritte zu machen: die Fähigkeit, sich mögliche Wege zum gewünschten zukünftigen Zustand vorzustellen („Pathways Thinking“), und ein Gefühl der Handlungsfähigkeit („Agency Thinking“), das es dem Individuum erlaubt, daran zu glauben, dass es diesen Zustand erreichen kann. So baut sich die Hoffnung als Motivation für Veränderungen in uns auf und steigert unser Wohlbefinden. (3)
Quellen:
1. https://theconversationuk.cmail19.com/t/ViewEmail/r/3813F2F1308F8B4E2540EF23F30FEDED/4E59D6C31073E8DC5715669F02D6474B
2. https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fpsyg.2020.588604/full
3. http://www.communicationcache.com/uploads/1/0/8/8/10887248/approach_and_avoidance_motivation_and_achievement_goals.pdf