Unverwüstlich oder infektanfällig? Neigung zu Allergien? Unser Verständnis für das körpereigene Immunsystem wird permanent erweitert. So erhielt in 2022 Svante Pääbo vom Max-Planck-Institut in Leipzig den Nobelpreis für Psychologie oder Medizin. Die von ihm mitbegründete Paläogenetik erforschte dafür die Genome ausgestorbener Hominiden und deren Einfluss auf die menschliche Evolution.1 Gehen wir auf Entdeckungsreise, welche Rückschlüsse das für die eigene Fürsorge auch aus chiropraktischer Sicht erlaubt.
Zum besseren Verständnis hier ein paar Rahmendaten: 1856 entdeckten Arbeiter*innen im Schlamm Knochenreste, die im Nachgang einer ausgestorbenen Urmenschenart zugewiesen wurden. Der Ort? Ein Taleinschnitt etwa 10 Kilometer östlich von Düsseldorf, das nach dem Pastor und Komponisten Joachim Neander umbenannt wurde. Damals galt die Vorstellung der Evolution bestenfalls immer noch als umstritten. In den letzten 150 Jahren wurde nicht nur damit aufgeräumt.
Beispielsweise konnten enorme Mengen an fossilen Knochen sowie Stein- und Holzwerkzeugen und auch Schmuckstücke gefunden werden. Denn die als Neandertaler klassifizierten Hominiden hinterließen zahlreiche Spuren, die wir Zehntausende von Jahren später untersuchen können. Dank Pääbo und Team ist auch ihr Genom nach jahrzehntelanger Arbeit kartiert. Mit erstaunlichen Erkenntnissen: Es scheint, dass 99,7 Prozent der DNA von Neandertalern und modernen Menschen identisch sind und sie unsere nächsten ausgestorbenen Verwandten sind.
Einmal gut, immer gut?
Die Forschenden fanden auch heraus, dass das Erbgut vieler Europäer*innen und Asiat*innen zwischen 1 und 4 Prozent Neandertaler-DNA aufweist. Der moderne Mensch nahm diese DNA-Schnipsel durch Hybridisierung auf, als sich moderne und archaische Menschen vermischten.2 Das hat auch unser Wissen über die menschliche Gesundheit erweitert. So scheint beispielsweise ein Teil der Neandertaler-DNA, der vor Zehntausenden von Jahren für den Menschen nützlich gewesen sein könnte, heute in Verbindung mit einem modernen westlichen Lebensstil Probleme zu verursachen. Es gibt wohl mögliche Zusammenhänge mit Alkoholismus, Fettleibigkeit, Allergien, Blutgerinnung und Depression. Im Kontext der Forschung zeigten sich auch Hinweise, dass eine uralte Genvariante der Neandertaler die Reaktion unseres Immunsystems auf Infektionen mit beeinflusst.3
Gene, Verhalten, Justierung
Nun gilt die genetische Ausstattung eines jeden Menschen als kaum veränderlich. Welche Sequenzen aus der Menge genetischer Möglichkeiten wirken, lässt sich dagegen schon beeinflussen. So können chemische Veränderungen des genetischen Materials, die im Laufe des Lebens auftreten, dazu führen, dass bestimmte Gene ein- oder ausgeschaltet werden. Das führt beispielsweise zu einer schnelleren Alterung oder zu Erkrankungen, auch Allergien können so entstehen.
Bei diesen Veränderungen handelt es sich in der Regel um die Anlagerung von Methylgruppen an die DNA. Sie werden durch soziale und umweltbedingte Einflüsse wie negative Erfahrungen in der Kindheit, Rauchen, Umweltverschmutzung und auch Depressionen beeinflusst. Die Art und Weise, wie wir leben und empfinden, hat also Einfluss bis auf die Ebene der Gene.4 Die eigene Entscheidung für gesunde Lebensweisen, Ernährung, Stressreduktion und angemessenes Training wirkt sich natürlich positiv auf den eigenen Körper aus. Diese mit Epigenetik umschriebene Erkenntnis betont den Wert einer gesunden und ausgeglichenen Lebensweise – und zwar auch mit Blick auf die neuen Erkenntnisse aus der Neandertaler-Forschung.
In der Chiropraktik basiert eine solche gesunde und ausgeglichene Lebensweise auf den fünf Säulen der Gesundheit. Bereits Hippokrates von Kos (ca. 460 bis 370 v. Chr.) formulierte das zugrundeliegende Konzept entlang von Bewegung, Ernährung, Entspannung, Umwelt und Bewusstsein. Dabei sollen chiropraktische Justierungen gesunde Muster unterstützen und die intakte Kommunikation des Körpersystems erhalten. Denn Chiropraktik strebt danach, das Potenzial jedes Individuums zur bestmöglichen Lebensqualität freizusetzen.
1 https://www.spektrum.de/news/svante-paeaebo-der-genetiker-der-den-neandertaler-in-uns-fand/2063172
2 https://theconversation.com/neanderthals-died-out-40-000-years-ago-but-there-has-never-been-more-of-their-dna-on-earth-189021
3 https://www.pnas.org/doi/10.1073/pnas.2026309118
4 https://theconversation.com/epigenetic-and-social-factors-both-predict-aging-and-health-but-new-research-suggests-one-might-be-stronger-200153